Unsere diesjährige Sommerfahrt ging in die Vogesen. Über Stock, Stein, Asphalt und Matsch erkundeten wir acht Tage lang die Gegend um Kaysersberg im Elsass. Die Fahrt führte uns in das ein oder andere nette Dörfchen, durch Weinberge und Nebelwälder, über Weiden im Sommerregen und letztendlich ins schöne Colmar. Der Regen, der in dieser Zeit über der Region niederging, machte uns nicht etwa einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen sorgte er für viele ungewöhnliche Schlafplätze und dafür, dass wir uns an jede Menge besondere Momente erinnern können. Die Interessierten können hier noch Lynns extralange Version lesen:
Hallen-Hopping im Elsass
»Albert Schweitzer« trifft Albert Schweitzer
Für unsere diesjährige Stammesfahrt Ende Juli haben wir uns die regenreichste Woche der Sommerferien ausgesucht. Bereits im Vorfeld kündigten sich nasse Tage und kühle Nächte an, also heißt es, doch noch einen Pulli für frische Abende einzupacken und die Regenponchos griffbereit zu halten. Trotz grauer Wolkendecke schon in Dillingen treten wir samstagsmorgens hochmotiviert die Zugfahrt ins schöne Elsass an. Mit dabei sind neun Pfadfinder und R/R, fast alle schon alte Hasen in Sachen Fahrt, die sich doch von so ein paar Tropfen nicht abschrecken lassen! Gelassen blicken wir auch den unzähligen Verspätungen auf unserer Zugfahrt entgegen: immer die Ruhe bewahren, auf Fahrt soll man schließlich abschalten.
Am Nachmittag erreichen wir unsere erste richtige Station nach der Anreise über Colmar: das idyllische Kaysersberg, für uns schon gleich zu Beginn ein Highlight der Fahrt. Hier wurde 1875 der Namensgeber unseres Stammes, Albert Schweitzer, geboren. Natürlich ist ein Besuch beim Albert-Schweitzer-Haus Pflicht! Weil wir allerdings so spät erst ankommen, hat das Museum über Schweitzers Leben und Wirken als Arzt schon geschlossen, und auch sein Geburtshaus können wir nur von außen betrachten. Als Trostpflaster schießen wir aber noch zwei, drei nette Gruppenfotos vor der Büste von Albert Schweitzer.
Die Wolken hängen tief und grau am Himmel, und wir machen uns anschließend flott auf die Suche nach unserem ersten Nachtlager. Es geht einen Hang hinauf, über den Weg laufen uns schon Rinnsale entgegen. Die Vorfreude darauf, die Kohte auf matschigem Untergrund mit Hanglage aufzubauen, hält sich jetzt doch in Grenzen. Wir beschließen dennoch, schon mal Wanderstöcke zu schlagen, die wir auch zum Zeltbau verwenden können. Doch scharfe Augen beobachten uns dabei … Aus einem nahegelegenen Schrebergarten kommt ein Mann auf uns zu. Wir befürchten schon, dass er uns wegjagen wird, wie auf anderen Fahrten schon oft geschehen. Französischkenntnisse sind jetzt von Vorteil! Ein Glück, dass Käthe und Johanna dabei sind. So stellt sich schnell heraus, dass der Mann uns freundlich gesonnen ist. Er führt uns durch seinen gepflegten Garten zu unserer ersten Lagerstätte: Keine abschüssige Matschwiese, sondern der strohbedeckte Schotterboden einer verfallene Scheune ist heute Nacht der Untergrund für unsere Isomatten. Und als ob das nicht schon nett genug wäre, bringt uns der Gärtner noch Gemüse aus seinem Beet, mit dem wir unserer Reispfanne gehörig mehr Geschmack verpassen können. Vielen Dank! Bei Aussicht auf die Dächer von Kaysersberg mit ihren Storchennestern klingt der erste Abend gemütlich und trocken aus.
Die Fahrt geht richtig los!
Am nächsten Tag bringt uns der Bus den Berg hinauf zum Lac Blanc. Wir fahren aber erst mal am See vorbei und machen noch eine kleine Sightseeing-Busfahrt über den Rücken der Bergkette. Der Blick aufs Umland von ganz oben ist fantastisch – theoretisch. Wenn die Sonne scheint. Viel kann man wegen der tief hängenden Wolkendecke heute nicht erkennen.
Bisher hatten wir ja mehr oder weniger nur das typische Touri-Programm mit Anreise und Spaziergang in Kaysersberg. Ab dem Lac Blanc verlassen wir uns jetzt aber auf unsere Beine, es geht über Stock und Stein bergab und wieder bergauf. Der Plan ist, im Laufe der Woche nach Munster zu wandern. Von dort aus wollen wir am nächsten Samstag wieder die Heimreise antreten. An diesem Abend nächtigen wir endlich in der Kohte!
Zumindest ein Teil von uns … Wir entdecken im Wald einen „abri“ (dt. Unterschlupf) aus dem zweiten Weltkrieg. Er sieht aus wie ein halbrunder Tunnel aus Metall. Perfekter Schlafplatz, denken die praktisch veranlagten Frauen! Damit geben sich die starken Männer aber nicht zufrieden. Das führt zur klassischen Arbeitsteilung: Die Frauen kochen das Abendessen, während die Mannskerle die Kohte aufschlagen – in der nur sie nächtigen. Für die vier Mädels bietet der Unterschlupf daher viel Platz.
Durch den Monsun
Im Verlauf des dritten Tages merken wir, dass wir viel schneller als geplant voran kommen. Wenn wir in diesem Tempo weiter gingen, wären wir schon am nächsten Abend in Munster. Wir beschließen daher, einen anderen Weg einzuschlagen und über das Örtchen Trois Epis erst noch nach Turckheim zu ziehen.
Heute regnet es ab der Mittagszeit wirklich ununterbrochen Sturzbäche. An den beiden Tagen davor ging es noch, wir hatten ab und an mal Schauer und dazwischen längere trockene Phasen. Aber jetzt heißt es Dauerdusche! Das nervt auf Fahrt nicht nur, weil man dann selbst nass ist. Dazu kommt noch, dass das ganze Material, das man schleppen muss, noch zusätzlich an Gewicht bekommt, wenn es durchnässt ist. Und man hat immer vor Augen, dass die ganzen Sachen so schnell auch nicht trocknen werden, wenn man die Nacht im feuchten Zelt verbringt. Der Erdboden ist jetzt schon total aufgeweicht, und da soll man dann drauf schlafen?! Verständlicherweise wird man da leicht etwas missmutig. Aber Jammern hilft nichts. Wie schon bei der Zugfahrt gilt jetzt, Gelassenheit bewahren, die Sache mit Humor zu nehmen und weiter zu gehen.
Am frühen Nachmittag erreichen wir eine Siedlung im Wald. Auf unserer Karte ist hier eine Schutzhütte eingezeichnet, aber stattdessen finden wir zwei Häuser, umgeben von Weiden. Was uns ins Auge fällt, sind die Scheune und die Carports. Vielleicht kennt hier jemand einen Platz, an dem man trocken unterkommen kann? Eine Scheune oder ein Carport vielleicht? An einem Haus öffnet uns trotz laufendem Fernseher keiner die Tür. Am zweiten haben wir mehr Glück. Als wir dem deutsch sprechenden Paar, das die Tür öffnet, unsere Situation erklären, schicken sie uns ums Haus herum zu einer großen überdachten Fläche. Hier könnten wir auch über Nacht bleiben, meinen sie. Wir freuen uns, denn der Boden ist trocken und wir können unterm Dach unsere nassen Sachen aufhängen. Fröhlich schmücken wir die Dachbalken mit triefenden Klufthemden und abgezippten Hosenbeinen, kochen uns Träum-süß-Tee und blicken hinaus in den dichten Vorhang aus Regen. Donnergrollen und Blitze mischen sich ins Prasseln des Regens: Ein Gewitter zieht über uns hinweg. Wie toll, dass wir im Trockenen sitzen!
Na klar, das ist ja zu schön, um wahr zu sein. Was wir und auch die Hausbesitzer nicht bedacht haben, ist der Hang, der zwischen Terrasse und Haus liegt. Dank seiner hervorragenden Fließfähigkeit kommt das Wasser über den Hang immer dichter zu uns. Je länger wir unterm Dach sitzen, desto nasser und aufgeweichter wird der Boden. Irgendwann ist die Terrasse dann auch komplett überschwemmt. Die Hausbesitzer sind kurz vorher mit dem Auto weggedüst – wahrscheinlich, um sich vor der Sintflut in höher gelegene Gebiete zu retten. Mangels besserer Lösung ziehen wir unsere nassen Sachen wieder an, schultern die Rucksäcke und brechen wieder in den Regen auf. Das Gewitter hat sich mittlerweile verzogen, wenigstens ein kleiner Lichtblick.
Eineinhalb Stunden später sind wir in Trois Epis. Was wir nicht wussten: Trois Epis ist ein Wallfahrtsort und wartet mit einem Kloster auf, außerdem befindet sich hier auch eine bekannte Klinik. Wir beschließen, am Kloster erneut unser Glück zu versuchen und nach einer trockenen Unterkunft zu fragen. Max putzt sich noch schnell heraus, bringt seinen Kreuzanhänger an der Kette geschickt in Position und macht sich mit Käthe auf den Weg. Wir drücken die Daumen! Und tatsächlich haben sie Erfolg. Wir können in einem großen Wallfahrtsraum übernachten, komplett mit Tischen, Waschräumen und viel Platz für abendliche Spiele. Kochen müssen wir mit unseren Trangia-Eiern vor der Tür, aber das lässt sich bei solch einer Unterkunft trotzdem aushalten.
Zu Gast bei Karate-Kid
Der Morgen von Tag vier beginnt, wie der Tag zuvor aufgehört hat: Grau und regnerisch. Deshalb hängen wir noch ziemlich lange in unserem Räumchen. Erst, als die nächste durchnässte Pfadi-Gruppe aufschlägt und ihre nassen Sachen ausbreitet, machen wir uns auf den Weg. Es geht heute durch den Bergnebelwald und Weinberge die kurze Strecke nach Turckheim. Das Städtchen ist sehr hübsch, mit alten Fachwerkhäusern und Kopfsteinpflaster. Weil es wieder regnet, wollen wir ausprobieren, ob die Menschen hier auch so nett und hilfsbereit sind. Wir betreten nass und Matschspuren hinterlassend das Rathaus. Gibt es vielleicht irgendwo ein Räumchen, in dem wir trocken die Nacht verbringen könnten? Und siehe da: Drei Stunden, nachdem wir von Trois Epis aufgebrochen sind, sind wir schon wieder in unserer nächsten Unterkunft, die die beste von allen sein wird. Wir dürfen in einem Clubheim übernachten, das von der örtlichen Kampfkunst-Truppe als Trainingshalle genutzt wird. Besser kann man sich eine Unterkunft kaum vorstellen: Es gibt eine große Küche, Waschräume, wieder viel Platz und ein Teil des Hauptraumes ist mit Matten ausgelegt. Was für eine Spielwiese! Die Sportgeräte, die überall in der Halle zu finden sind, laden zum (natürlich umsichtigen) Gebrauch ein.
Nach dem leckeren Abendessen (Püree, Eier und Spinat) beschließen wir, noch einen kleinen Spaziergang durch die Gässchen zu machen. Wir landen in einem Irish Pub. Hier verhält es sich genau gegenteilig wie mit unserer Unterkunft: Diese ist eine der besten, die wir auf Fahrt je bewohnt haben. Der Pub ist einer der schlechtesten. Mit Ach – Kreuzschmerzen wegen der unbequemen Sitzgelegenheiten – und Krach – schlechte Hip-Hop-Musik aus den Lautsprechern, dazu nicht passendes MTV-Programm auf Riesenfernseher – zwingen wir uns die bestellten Getränke auf und ergreifen dann die Flucht. Macht aber auch nichts, in der Martial-Arts-Halle mit all ihren Beschäftigungsmöglichkeiten ist es eh viel spannender. So einen lustigen, fröhlichen Abend haben wir auf Fahrt selten erlebt!
War’s das jetzt mit Wandern?
Am nächsten Tag ziehen wir weiter Richtung Munster. Dieser Tag soll der ereignisloseste der Fahrt bleiben. Stundenlang latschen wir durch Regen, irgendwann an der Hauptstraße entlang, um schneller voran zu kommen. Begleitet vom Geklapper der Störche ziehen wir nach Munster ein. Unser Weg führt schnurstracks zum Rathaus. Ihr könnt euch denken, warum: Gibt es vielleicht irgendwo ein Räumchen, in dem wir heute Nacht trocken unterkommen können? Und auch heute haben wir Glück. Wir dürfen unter der Stadthalle in einem Gruppenraum irgend eines Jugendvereins übernachten, Diesmal nicht sehr geräumig, aber wieder mit Waschräumen ausgestattet. Und mit einem elektrisch gesteuerten Rollgitter vor Fenster und Tür, was für Erheiterung sorgt.
Wir halten eine Krisensitzung: Bei diesem Wetter haben wir jetzt doch keine Lust mehr, den ganzen Tag zu laufen. Die Ortschaften sind so weit auch abgeklappert, das heißt, wenn wir weiter gehen würden, müssten wir nachts auf die nasse Kohte zurück greifen – eigentlich ja auf Fahrt der Normalfall, aber zugegeben, wir sind dieses Mal mit den ganzen Hallen schon recht verwöhnt worden! Also was tun? Letztendlich fassen wir den Entschluss, am nächsten Tag schon mit dem Bus nach Colmar zu fahren, uns für zwei Nächte in einer Jugendherberge einzuquartieren und von dort aus einfach die Stadt zu erkunden. Mittels Fernfunk über den Langwellensender Buprich ist eine Jugendherberge auch bald gefunden und gebucht. Und auch die Busfahrzeiten finden wir heraus. Ein bisschen erleichtert sind wir schon, wenn auch ein wenig Wehmut mitklingt. Immerhin stellten wir uns unter einer richtigen Fahrt etwas anderes vor!
Wir haben noch ein paar Stündchen Zeit, bevor wir in die Schlafsäcke kriechen müssen. Also wandern wir durch die Sträßchen. Die Mägen knurren, und wir beschließen, uns einen kleinen Snack zu gönnen. Die Gremlins schlagen vor, an einer Imbissbude Essen zu besorgen, und machen sich beschwingt auf den Weg. Währenddessen wartet der Rest von uns in einem Bistro (nein, hier gibt’s nix zu essen). Und wartet, und wartet. Wir machen uns schon Sorgen! Nach einer Ewigkeit tauchen die Jungs wieder auf. Mehrere Frauen hatten vor ihnen wohl eine Bestellung für einen ganzen Fußballverein aufgegeben, und bis 30 Döner und kiloweise Pommes fertig sind, dauert es schon eine Weile!
Ab nach Colmar!
Am nächsten Morgen weckt uns die Sonne. Was?! Ja, die Sonne scheint ins Fenster! Kaum zu glauben, aber es ist richtig warm und trocken draußen! Wir können sogar vor unserem Räumchen in der Sonne frühstücken. War ja klar, dass das so kommt. Jetzt, wo wir ein Zimmer gebucht haben. Egal. Wir lassen uns vom Wettergott nicht ärgern und setzten unseren Colmar-Plan in die Tat um. Am frühen Nachmittag kommen wir an und machen uns gleich auf den Weg zur Herberge. Unterwegs wird noch schnell ein verspätetes Mittagessen ohne Pilze gekocht. Und weil wir uns heute im Bus und beim Treppensteigen im Hostel so sehr anstrengen mussten, gibt’s abends gleich noch leckere Flammkuchen mit dem bekannten Munster-Käse. Hmm, welch Arömchen!
Den vorletzten Tag unserer Fahrt verbringen wir mit Touri-Programm. Wir machen eine Kahnfahrt auf der Lauch – wusstet ihr, dass es hier seit einem Zwischenfall in den Sechzigern Krokodile gibt? Auch die bewegte Stadtgeschichte zur Weltkriegszeit lernen wir ein wenig näher kennen und entspannen in einem Park. Es wird ein richtig schöner Sommertag, von Regen ist keine Spur mehr zu sehen.
Fahrt vorbei …
Für unsere Heimfahrt müssen wir am letzten Tag früh aufstehen. Die Sonne blitzt auch gerade erst über die Baumwipfel vor unseren Fenstern. Von Colmar aus bringt uns die Bahn wieder zurück nach Dillingen. Viele Worte will ich über diesen letzten Tag gar nicht verlieren.
Im Zug haben wir Zeit, die vergangenen Tage noch einmal Revue passieren zu lassen. Es war auf jeden Fall eine schöne Zeit! Trotz des miesen Wetters waren wir eigentlich immer gut gelaunt. Ich habe schon Fahrten erlebt, bei denen man sich wegen belangloseren Sachen als Dauerregen in die Haare gekriegt hat. Meine persönlichen Befürchtungen, dass wegen anhaltendem Regenwetter die Stimmung kippen würde, sind in keinster Weise eingetreten. Im Gegenteil: Es konnte auch noch so sehr schütten, im Herzen behielten wir uns immer die Sonne – allen voran die Gremlins, die uns Alten mit ihrem Elan bei der Stange hielten. Auch die vielen freundlichen Menschen, denen wir begegnet sind, will ich nicht vergessen. Und auch jetzt, fast ein Jahr später, denke ich fröhlich an all den Quatsch zurück, den wir gemacht haben. Normalerweise sagt man über eine Fahrt, dass man sich nur noch an die guten Sachen erinnert und die schlechten schlichtweg ausblendet. Über diese Fahrt denke ich anders: Auch die auf den ersten Blick negativen Dinge wie etwa das Wetter und der schlechteste Pub der Welt (und nasse Pilze!) tragen für mich persönlich dazu bei, dass diese Fahrt so gut im Gedächtnis hängen bleibt. Denn wir haben sie gemeinsam bewältigt und können heute noch drüber lachen. So etwas kann man immer wieder gerne erleben!
Dass, dass elektrisch gesteuerte Rollgitter und Rollgittertor für Erheiterung gesorgt hat kann ich verstehen. Ich war mit meiner Gruppe mal in einer Jugendherberge, da war das ähnlich. aber der Zweck von sowas ist schon nachvollziehbar.